Geschlossene Gesellschaft

Foto: Thomas Aurin
von Jean-Paul Sartre
Deutsch von Traugott König
Schauspielhaus
Premiere 30. November 2019
ca. 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause
TEAM
BESETZUNG
Anna Kubin (Estelle)
Heidi Ecks (Kellner)
INHALT
Lungenentzündung, Gas und zwölf Kugeln – so sind Inès, Estelle und Garcin zu Tode gekommen, bevor sie von einem undurchsichtigen Diener hierher gebracht wurden. In die Hölle, das wissen sie gleich, auch wenn Sartre ohne Höllenfeuer und ähnliches Beiwerk auskommt. Für Sartre ist die Hölle, in der sich seine drei Antagonisten befinden, eine conditio humana, eine Grenzsituation, aus der es kein Entkommen gibt. Schicht um Schicht legen sie ihre Niederlagen und Grausamkeiten offen. So unterschiedlich sie scheinen, sie verbindet ein gemeinsames Ringen um das, was sie sind, was sie sein wollten und als was sie gesehen werden wollen. Wer bin ich, wer sind die Anderen? Wenn Sartre den Anderen als Hölle beschreibt, dann vielleicht, weil er einem Selbst so ähnlich ist?
PRESSESTIMMEN
»Was sie (die Darsteller:innen) aufführen, ist oft so komisch, grotesk und witzig, dass man denkt: Die Hölle ist doch auch ein hübsch entlarvendes Vergnügen. Redlhammer in seinem absurd bunt schillernden Kostüm ist erheiternd schon durch seine bloße Existenz, die ihren Platz irgendwo zwischen Mathieu Carrière, Harald Juhnke und Gernold Hassknecht hat. Famos, wie er sich ereifern kann, wie er schimpft und zetert, grübelt und greint! Sein teuflischer Toter gehört zum Unterhaltsamsten, was die Hölle seit ihrer Erfindung zu bieten hat. Anna Kubin: Wie sie beinah schwerelos mit ihrem Federbüschen im roten Haar durch den Käfig schwebt, verliebt in sich selbst und alle schönen Oberflächen, ein mechanisch aufgezogenes Püppchen, das ständig unter Spannung steht und in esoterisch-zickigen Bewegungen einer rätselhaften Choreografie folgt – das ist außergewöhnlich. […] »Geschlossene Gesellschaft« wird nur noch selten gespielt. Frankfurt hat das korrigiert. Bravo.«
Frankfurter Neue Presse, 2. Dezember 2019
»Die Bühne wirkt […] spektakulär, die ausgefallenen Kostüme der Darsteller*innen setzten das fort; ebenso das Körperspiel, das besonders bei den beiden Frauen eine beeindruckende Elastizität wie auch Körperbeherrschung offenbart.«
journal-frankfurt.de, 2. Dezember 2019
»Eine musikalische Textstruktur, die eine ganz eigene, soghafte Qualität entwickelt. […] Die Inszenierung ist in sich total stimmig, atmosphärisch gelingen sehr schöne Momente.«
hr2 Frühkritik, 3. Dezember 2019
»Durch die Sprache bekommt die Inszenierung eine ganz eigene Rhythmik. Die Regisseurin Johanna Wehner bringt Jean-Paul Sartre […] zum Klingen. Ihr ist eine stimmige Inszenierung eines zeitlosen Stückes gelungen. Gut, dass sie sein selten gespieltes Stück in dieser Form wieder auf die Bühne bringt.«
Journal Frankfurt, Januar 2020
»Das Ganze ist […] so klug gearbeitet, wird reihum bis in kleinste Gesten so signifikant gespielt, dass der inhaltliche Sinn erschließbar bleibt oder sich dem Zuseher als interessante Fragestellung andient. Obendrein verdichtet sich derart der sprachliche Verlauf zu einem faszinierend rhythmischen Konstrukt – das den Protagonisten immer wieder Halt und die Möglichkeit zum Miteinander bietet, von ihnen indes ebenso oft in selbstbezogener Ignoranz und aus Sucht nach Aufrechterhaltung unwahrer Selbstbilder vertan wird. Dies sind dann die Momente, in denen Sartres Existenzialismus des mittleren 20. Jahrhunderts und Wesensmerkmale der Gegenwart im frühen 21. mit erhellender Wucht aufeinanderprallen.«
Rhein-Zeitung, 2. Dezember 2019
» Man verbringt einen kurzweiligen Abend mit diesen rastlosen Sinnsucher*innen, die reflexhaft versuchen, ihrem vergangenen Leben Bedeutung zuzuweisen, sich verzweifelt daran festklammern- auch wenn keine*r der drei sonderlich glücklich gewesen zu sein scheint in ihrem oder seinem Leben. Soweit sich Wehner von Sartres Drama löst, soweit sie ihre eigene (Auf-)Fassung dieser »Geschlossenen Gesellschaft« schafft: Auch bei ihr geht es um gesellschaftliche Zurichtungen, die über den Tod hinaus wirksam bleiben, um eine Existenz, die durchökonomisiert ist.«
Theater heute, März 2020
»Es […] gelingt, eine Gegenwartsnähe herzustellen für einen gemeinhin als angestaubt geltenden modernen Klassiker.«
Offenbach-Post, 2. Dezember 2019
Foto: Thomas Aurin