In letzter Zeit Wut

Foto: Felix Grünschloß
von Gerhild Steinbuch
Auftragswerk des Schauspiel Frankfurt
Kammerspiele
Uraufführung 12. November 2021
ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
TEAM
BESETZUNG
Sarah Grunert (Kirsty Cotton)
Tanja Merlin Graf (Regan McNeil)
Katharina Linder (Ellen Ripley)
Melanie Straub (Nancy Thompson)
Uwe Zerwer (Sean Keller)
INHALT
Bilder. Kopien von Bildern. Kopien von Kopien von Bildern. Wie eine Nachtschicht von Facebook-Contentmoderator:innen arbeitet sich ein Chor durch eine Flut von Bildern aus Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft und Fiktion. Die Frauen kopieren die Rückseiten der Bilder, sortieren Orte und Szenen eines Widerstands gegen die intakten Heldengeschichten der Sieger heraus, speisen das raubkopierte Material wieder in den Stream ein – Material, das sich im Kopierprozess verformt, bis es lebendig wird. Um 392 v. Chr. schrieb der griechische Dichter Aristophanes seine Komödie »Frauenvolksversammlung«, in der als Männer verkleidete Frauen im Parlament das Patriarchat abschaffen.
Die mehrfach ausgezeichnete österreichische Autorin Gerhild Steinbuch begibt sich mit ihrer modernen Überschreibung der antiken Komödie auf Spurensuche nach einer Welt vor oder zwischen den herrschaftlichen, gewalttätigen Bildern. Sie lässt ihre Protagonistinnen suchen nach der Idee einer eigenen Frauenvolksversammlung als Möglichkeit einer heutigen Heterotopie.
PRESSESTIMMEN
»[…] was man aus dem Text von Gerhild Steinbuch herausfiletieren kann, ist schon ziemlich sensationell.«
Strandgut, 02/22
»Steinbuch entwirft ein Panorama feministischen Kampfgeistes, der von der schlichten Forderung nach Betriebsräten bis zur Vernichtung der holden Männlichkeit reicht. Mit hübschen Pointen, englisch deutschem Zeitgeist und kulturellen Verweisen nach hier und dort klopft sie die antike Vorlage ab. Regisseurin Christina Tscharyiski, die das Stück vorgeschlagen hatte, macht daraus einen spleenig freundlichen Abend. […] Melanie Straub verrenkt sich darin als zackig zickiges Feenwesen, Sarah Grunert spricht das Wort "Männer" aus, als spritze sie Gift und gratwandert als überakzentuierte Alles-Checkerin umher, während Katharina Linder die robuste zweite Welle der Frauenbewegung verkörpert. Die an diesem Abend durchweg umwerfende Tanja Merlin Graf ist mal quietschendes Küken, mal herrlich widerständiges Manga-Mädchen-Gespenst. Das tolle Quartett trägt zuweilen schwer an den Floskeln der Gegenwart.«
nachtkritik.de, 13. November 2021
»Dass Isaak Dentler als fleischgewordene Redewendung von „irgend so einem Horst“ die Reden und Gegenreden der vier Frauen immer wieder lässig unterbricht, ist eine lustige Idee, die Steinbuch und Regisseurin Christina Tscharyiski mit ihrem Team ausgeheckt haben. Wie aber sollen diese anderen Strukturen denn aussehen? Darüber diskutieren die Frauen bei Aristophanes, darüber diskutieren sie im Weiberrat, und jetzt verkörpern Sarah Grunert als toughe Kristy Cotton, Tanja Merlin Graf als schräg-kratzbürstige Megan MacNeil, Linder als in der Wolle gewaschene Feministin Ellen Ripley und Melanie Straub als megagenervte Nancy Thompson einzeln und in messerscharfen Chorpassagen Spielarten des Diskurses. Sie sind das Fleisch, klingend und gestenreich, in jeder Nuance da.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. November 2021
»So einfach sind die Dinge eben nicht mit einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft. Und Gerhild Steinbuch macht sie in „In letzter Zeit Wut“ nicht weniger komplex. Spielt mit Gleichberechtigungs- und anderen Miseren auf diversen Realitätsebenen, wirbelt sie herum, schärft sie an in knapper Sprache.«
Frankfurter Rundschau, 15. November 2021
»Irgendwann erkennen diese Frauen, dass auch Gegenerzählungen, auch Gegenwelten, […] Gegennarrative nur Konstruktionen sind, in die sie zurückfallen und dass auch Gegennarrative nichts anderes sind als Klischees, die übrigens häufig auch von Männern geschrieben sind. Das ist vielleicht auch das Kluge und das Findige an dieser Inszenierung, dass eben auch jede Konstruktion, die eine Gegenkonstruktion hervorruft, doch wieder in Klischees abgleiten kann. […] Das Stück lebt von der Sprachkritik und es lebt auch von diesem starken Text von Gerhild Steinbuch und am Ende gibt es diesen Satz, den ich so wunderbar finde: „Die Sprache rast so dahin mit uns.“«
Deutschlandfunk Kultur, 12. November 2021
Foto: Felix Grünschloß
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